Entlang der langen Wassergräben, "Baray" genannt, fahren wir in Richtung des Haupteingangs von Angkor Wat. Schon von weitem lässt sich die Größe der Anlage erahnen. Angkor Wat kann man als den Haupttempel und das zeremonielle Zentrum der gesamten Anlage ansehen. Die umgebenden "Barays" sollen das mythologische Ur-Meer symbolisieren, das eine wichtige Rolle in der Religion des Hinduismus spielt.
Wir haben Glück und die Menschenmassen lassen sich noch etwas Zeit, so dass wir den Anblick vorerst ungestört genießen können. Über die breite Steintrasse nähern wir uns den Mauern und verschwinden dann in ihrem Inneren. Die Mauern sind durchzogen von Gängen und kleinen Räumen, in denen teilweise gut erhaltene, teilweise komplett zerstörte Buddhastatuen stehen. Viele der Statuen wurden während den Jahrhunderten wegen religiöser Querelen zerstört oder aber auch ins Ausland verkauft.
Wir treten in den sonnendurchfluteten Innenraum und werden gleich mal von der Kulisse, die die berühmten fünf lotusförmigen Türme Angkors zaubern, in den Bann gezogen. Über eine breite Trasse nähern wir uns dem kolossalen Bauwerk. Vor dem Haupttempel ist ein Wasserlauf angelegt, in dem sich die fünf Türme klar spiegeln. Dies ist eine der am meisten fotografierten Perspektiven Angkor Wats. Über eine Treppe betreten wir das Heiligtum und stehen vor einer, den kompletten Tempel umspannenden, 1000 Meter langen Wand voller Fresken. Hier ist die komplette Geschichte der Khmer dargestellt, von ihren Anfängen im Gebiet Angkor, bis hin zu ihren geführten Kriegen. Alltägliche Szenen wie Kochen, spielende Kinder, Hochzeiten werden ebenso wiedergegeben wie grausame Folterungen und Eroberungen. Auf der rückwärtigen Seite der Anlage ist auf über 200 Metern die hinduistische Schöpfungsgeschichte abgebildet, wie das Ur-Meer, kämpfende Dämonen und diverse Götter.
Einen kurzen Stopp legen wir auch an einem Infostand ein, der uns die Restaurierungsarbeiten näher bringt, die in Angkor von Nöten sind. Diese werden von einem Professor aus Köln geleitet. Wenn man die Größe des Komplexes sieht, merkt man, dass es sich hier um mehr als eine Lebensaufgabe handelt.
Die nun angesteuerten Tempel "Kravan" müssen nach diesen Eindrücken leider etwas zurückstecken. Es handelt sich um 5 kleine, aneinandergereihte Tempel, die aus einem gelb-rötlichen Stein gebaut sind. Nur einer der Tempel sticht etwas hervor. In seinem Inneren sind Mosaike zu sehen, die die Form einer geflügelten Gestalt darstellen. Ganz sehenswert, aber im Gegensatz zu den vorherigen Anlagen eher etwas langweilig.
Nun machen wir uns auf in den Außenbezirk der Anlage. Die große Tour hat eine Länge von über 35 Kilometern und schließt mehrere ausgelagerte Areale ein. Die letzten Satellitenvermessungen haben ergeben, dass sich das Gelände noch wesentlich weiter erstreckt hat, als bisher angenommen. Als absolutes Highlight und sogar noch faszinierender als "Angkor Wat" selbst, stellen sich die Gebäude von "Banteay Srei" heraus. Schon am Eingang geht man durch ein Tor aus rotem Sandstein, das über und über mit feinen Verzierungen versehen ist. Diese Steinart ist extrem korrosionsbeständig und ist noch sehr gut erhalten. Allerdings muss sie damals auch sehr schwer zu bearbeiten gewesen sein, was die Leistung der Arbeiter noch erstaunlicher macht. Das gesamte Areal erstrahlt in verschiedenen Rottönen und wir wandeln staunend zwischen den kleinen Tempeln und den anderen Gebäuden herum. Jede freie Stelle ist filigran verziert, hier erkennt man einen Wasserbüffelkopf, nicht größer als 5 Zentimeter, dort stellen die 4 Ecken des Dachs einen Elefantenkopf dar. Man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wir halten uns insgesamt über eine Stunde hier auf, aber die Zeit vergeht wie im Flug. Auf dem Rückweg zum Bus dürfen wir uns wieder den fliegenden Händlern erwehren, aber darin haben wir ja langsam Übung.
Auf dem Weg zurück zum Hotel halten wir noch schnell an der Anlage "Pre Rup" und besteigen die steilen Treppen. Hier sind viele Löwenfiguren zu s hen, denen man im Laufe der Zeit die Gesichter zerstört hat. Die Gründe dafür liegen mal wieder im religiösen Bereich. Zu einer zurückliegenden Zeit war es verboten, Löwenköpfe abzubilden und so wurden diese einfach zerstört. Manchmal treibt die Religion schon seltsame Blüten.
Den Nachmittag und Abend haben wir heute zur freien Verfügung und es gibt zwei Optionen zur Auswahl: Zum einen können wir den Sonnenuntergang innerhalb des Angkor Geländes bewundern, was aber bestimmt auch viele andere tun werden, oder wir fahren etwas raus aus der Stadt und versuchen da unser Glück. In unserem Reiseführer steht als Geheimtipp der Aussichtpunkt und der kleine Tempel "Phnom Kron". Schnell einigen wir uns darauf, diesen Punkt anzusteuern. An der nächsten Straßenecke heuern wir einen Tuk Tuk - Fahrer an und schon geht´s los. Dass wir nicht den schnellsten erwischt haben wird uns klar, nachdem alle anderen Tuk Tuks an uns vorbei fahren. Aber wir erleben dafür eine typisch kambodschanische Tankstelle: Man hält an einem Stand mit vielen Plastikflaschen an, kauft eine dieser Flaschen und schüttet sie in den Tank. Der Sprit wird in Plastikflaschen auf offener Straße verkauft!!!
Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir unseren Bestimmungsort und stürmen dem Gipfel entgegen. Vorher aber will man noch unseren Angkor-Pass sehen, ohne den kommt man nicht hinein. Gut, dass wir davon schon vorher wussten, sonst wären wir jetzt die Gelackmeierten. Oben angekommen erreicht man zuerst ein kleines Kloster, in dem vielleicht fünf Mönche leben. Hinterhalb stehen die verfallen Ruinen von zwei Khmergebäuden und dann schon kommt man zum Aussichtspunkt. Unter uns erstreckt sich eine weite Fläche aus überfluteten Feldern. Die Idylle wird nur von einem Ruderboot unterbrochen, das für das bevorstehende Wasserfest übt. Das ganze Areal gehört uns, fünf Mönchen und einem älteren, einheimischen Bauern. Linker Hand grasen zwei Kühe und stören dabei die Ruhe und Einsamkeit nicht weiter. So ruhig genießen wir den Sonnenuntergang und können unser Glück kaum fassen. Dass es in dieser touristischen Gegend noch so einen Ruhepol gibt ist eigentlich kaum zu glauben. Bei einbrechender Dunkelheit machen wir uns auf den Rückweg und werden am Fuß der Treppe schon von unserem Fahrer erwartet. Wir lassen uns ins Zentrum Siem Reaps fahren und gehen zum Ausklang des Abends noch schön essen.